Historische Studien
Regensburg 02.12.2011

weitere Texte:
Text 7

Ehepaar Farntrog, Rote-Hahnen-Gasse 7 (Text 7)

Jakob Farntrog und seine Ehefrau Rosa Thekla wohnten im 2. Stock in der Rote-Hahnen-Gasse 7.
Sie zählten zum orthodoxen Flügel in der Jüdischen Gemeinde und galten als fromm und geachtet.

Jakob Farntrog wurde am 11. Dezember 1884 in Fürth geboren. Seine Eltern, Isaak und Emma Farntrog, lebten in der Königsstraße 90, gegenüber dem Rathaus. Er wuchs mit sieben Geschwistern in einem orthodoxen Haushalt auf; sein Vater betrieb einen Tuchhandel.


Fürth, Rathaus, links das Elternhaus Farntrog in der Königsstraße (Stadtarchiv Fürth)

Jakob war 30 Jahre alt, als der Erste Weltkrieg begann. Als Freiwilliger diente er im Bayer. Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 6.
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs heiratete er Rosa Thekla Jochsberger, die am 18. Januar 1895 in Ansbach geboren wurde.
In den folgenden Jahren wurden dem Ehepaar Farntrog drei Kinder geschenkt: 1919 wurde Hilde geboren, 1920 Siegfried und 1923 Gerda, die nach einem Umzug der Familie in Regensburg geboren wurde.
Als Inhaber der Fa. Jakob Farntrog & Co., Webwarengroßhandlung in der Goldenen-Bären-Straße 8 war er in die Fußstapfen des Vaters getreten. Während der Weltwirtschaftskrise erlitt er jedoch massive Verluste und musste sein Geschäft aufgeben. Zum 1. Mai 1934 eröffnete er auf dem Namen seiner Frau eine Webwarenhandlung und belieferte mit seinem Auto Kunden in Süddeutschland.

Nach den reichsweiten Ausschreitungen in der sog. Reichspogromnacht wurde Jakob Farntrog verhaftet und am 11. November 1938 im KZ Dachau inhaftiert. Dort erlitt er zahlreiche Schikanen und wurde nach 4 Wochen entlassen, nachdem er sich verpflichtet hatte, das Deutsche Reich zu verlassen. Daraufhin verkaufte er sein Auto und bemühte sich vergeblich, Ausreisevisa für die Familie zu erhalten.
Denn das Familienleben litt bereits seit einigen Jahren unter den Repressionen der Diktatur. Nachdem den Kindern der Schulbesuch verwehrt worden war, bereiteten sie sich ebenfalls auf eine Emigration vor. Hilde, die bereits 1934 vom städtischen Mädchenlyzeum an die Haustöchterschule der Englischen Fräulein gewechselt war, verließ 1936 die Heimat und lernte im Gehringshof bei Fulda die Grundlagen der landwirtschaftlichen Arbeit kennen; am 15. März 1938 wanderte sie nach Palästina aus. Sie stand in regelmäßigen Briefkontakt mit ihren Eltern und Geschwistern und versuchte intensiv die nötigen Papiere für deren Emigration zu erhalten. Später heiratete sie den Sohn des Regensburger Rabbiners Dr. Salomon.
Sohn Siegfried, der die Oberrealschule besucht hatte, konnte aufgrund eines Empfehlungsschreibens des Vorstands der Gemeinde eine begonnene Schreinerlehre in Lübeck abschließen. Vom 1. Oktober 1936 bis 12. April 1938 bot ihm das Beth Chaluz in der Sophienstraße 10 Ausbildung und Unterkunft, anschließend besuchte er die Jeschiwa in Mannheim. Am 14. Juli 1938 konnte er (mit seiner jüngeren Schwester Gerda) nach Palästina emigrieren, wo bereits seine Schwester Hilde in einem Kibbuz lebte.
Die jüngere Schwester Gerda konnte mithilfe der Jugendalijah Berlin (zusammen mit ihrem Bruder) im Alter von 14 Jahren nach Palästina reisen und arbeitete östlich von Haifa in einem Kibbuz. Später zog sie nach Jerusalem und ehelichte Erich Oppenheimer (geb. 1915), mit dem sie in Jerusalem eine große Schokoladenfabrikation und eine Familie gründete.
Trotz unermüdlicher Bemühungen der Kinder war es den Eltern unmöglich, ihnen nach Palästina zu folgen. In ihren Briefen bedauert die Mutter immer wieder die räumliche Entfernung. Da sie und ihr Ehemann Jakob zur Miete in der Rote-Hahnen-Gasse 7 wohnten, befürchteten sie zudem eine behördliche Anordnung zu einem Umzug in ein sog. Judenhaus zu erhalten. Erstaunlicherweise blieben sie verschont; in die geräumige Wohnung im 2. Stock waren jedoch mehrere Untermieter einquartiert worden, seitdem ihre Kinder Regensburg verlassen hatten.
Da Rosa Farntrog an gesundheitlichen Problemen litt, wurde sie am 13. April 1942 von der Stadtverwaltung angewiesen, zusammen mit ihrem Ehemann in das Altersheim in der Weißenburgstraße 31 umzuziehen, wo sie ein Zimmer bewohnten. Frau Grünhut als ausgebildetete Krankenschwester und Leiterin des Altersheimes kümmerte sich hingebungsvoll um das Wohl von Rosa Farntrog.

Doch im Juli 1942 mussten Jakob und Rosa Farntrog sowie fünf weitere erkrankte Personen Regensburg verlassen. Mit einem „Sondertransport“ der Reichsbahn wurden sie, nach Wittmers Angaben in das KZ-Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort vermutlich sogleich nach der Ankunft ermordet.


Jakob Farntrog (1884-1942)


copyright © 2020 Sylvia Seifert / Zitat oder Abdruck nur mit Genehmigung des Verfassers